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Ich arbeite Vollzeit an einem Plugin, das ActivityPub heißt – ein Standard für das Fediverse – Interview mit Matthias Pfefferle

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Wolf-Dieter Fiege
Titelmotiv des Blogartikels zum Thema: ActivityPub der Standard für das Fediverse – Interview mit Matthias Pfefferle
Wir sind hier auf dem CloudFest Hackathon 2025. Wer bist du? 

Matthias Pfefferle: Ich bin Matthias Pfefferle. Ich arbeite Vollzeit für Automattic an einem Plugin, das ActivityPub heißt. ActivityPub ist ein Standard für das Fediverse. Wir versuchen damit, WordPress in eine Art dezentrales Netzwerk zu verwandeln. Und das ist auch das große Thema unseres Hackathon-Projekts.

Wie bist du überhaupt dazu gekommen, auf Hackathons aufzutreten oder dich daran zu beteiligen? 

Matthias Pfefferle: Das ist eine gute Frage. Eigentlich bin ich über meinen damaligen Arbeitgeber da reingerutscht. Sie haben damals Leute gesucht, die da hingehen, denn von anderen Entwicklern aus der Firma wurden Hackathons gar nicht wahrgenommen. Meine Teilnahme war also eher „zwangsweise“. Ich hatte aber enorm viel Spaß hier auf dem CloudFest und bin jetzt, glaube ich, das fünfte oder sechste Mal mit dabei.

Speziell in der WordPress-Branche, in der ich bin, arbeitet man tagtäglich an Open Source und hat irgendwie den inneren Drang, Open Source-Projekte gemeinsam weiterzuentwickeln. Und da ist es natürlich schöner, mit einer großen Gruppe zusammen an einem Tisch zu sitzen und das zusammen zu machen, als zu Hause zu sitzen und alleine vor seinem Rechner irgendwas zusammenzuhacken. Ein Hackathon hat eine ganz andere Dynamik.

Wie wählst du die Projekte aus, an denen du dich beteiligen möchtest?  Informierst du dich vorher, was geplant ist, was passen könnte und was dich interessiert?

Matthias Pfefferle: Ich versuche immer, unvoreingenommen hierherzukommen und mal nichts vorzubereiten und einfach nur teilzunehmen. Aber meistens endet es damit, dass ich selber ein Projekt vorbereite oder ein Bekannter oder ein Freund von mir ein Projekt macht und mich einbezieht, sodass ich dann schon festgelegt bin.

Das heißt, die Qual der Wahl hatte ich bisher eigentlich nicht, sondern ich habe immer entweder einen Bekannten unterstützt oder war selber in der Rolle, dass ich ein Projekt geleitet habe.

Du warst praktisch immer im Lead? 

Matthias Pfefferle: Ja, genau. Also von den fünf bzw. sechs Mal, die ich hier teilgenommen habe, war ich nur das allererste Mal unvorbereitet. Sonst war ich immer irgendwie involviert. 

An welchem Projekt bist du in diesem Jahr beteiligt?

Matthias Pfefferle: Dieses Jahr haben wir versucht, Eventsysteme zu dezentralisieren. Es geht dabei nicht darum, dass es, wie z.B. bei Mieter.com, einen zentralen Anlaufpunkt gibt, wo Organizer ihre Events anbieten und Teilnehmer dann einen Account benötigen, um darauf zugreifen zu können. Wir wollen. dass sich jeder Organizer entscheiden kann, wo er seine Events veröffentlichen will und jeder Teilnehmer entscheiden kann, über welche Plattform bzw. Webseite er darauf zugreifen möchte. Das ist die grobe Idee gewesen.

Für den Hackathon haben wir erst einmal eine Art Bestandsaufnahme gemacht, denn die Idee ist nicht komplett neu. Dann haben uns angeschaut, wie wir aus den bestehenden Möglichkeiten eine Art Workflow abbilden können.

Wie funktioniert es? Funktioniert es generell?  Denn auch bei Standards ist es oft so, dass jeder kleine Variationen hat , sodass sie dann doch nicht hundertprozentig kompatibel sind. Wir haben uns dann angeschaut, wie wir da entgegenwirken können und wie wir ein Testsystem aufbauen können, damit man seine eigene Software testen kann, ob sie damit zurechtkommt.

Wir hatten viele im Team, die sich das aus Organizer-Sicht angeschaut haben und die dann den WordPress-Teil ausprobiert haben.  Sie haben alles installiert, Events angelegt und dann geschaut, ob diese auch wirklich auf den anderen Plattformen auftauchen. Das alles haben wir dann auf einer Seite dokumentiert, damit wir beim nächsten Mal nicht wieder bei null anfangen müssen. 

Hat dieses Thema auch etwas mit deinem Daily Business zu tun? 

Matthias Pfefferle: Genau, also eigentlich ist es genau mein Daily Business. Seit zwei Jahren mache ich das beruflich. Das war vorher auch schon ein Hobby von mir.  Ich mache das praktisch schon seit einer Ewigkeit, also seitdem ich WordPress nutze.

Ich bin ein Kind des Web 2.0, also aus einer Zeit, wo soziale Netzwerke noch Blogs waren, die sich untereinander verlinkt und kommentiert haben usw. Und ich finde es ein bisschen schade, dass das alles durch die sozialen Netzwerke verloren gegangen ist.

Seitdem die sozialen Netzwerke groß geworden sind, versuche ich persönlich WordPress hochzuhalten, aber als dezentrale Struktur. Jeder kann so seine kleine Insel in diesem Netzwerk haben. Ich möchte Leute motivieren, dass jeder seine eigene Webseite hat. Und mit dem ActivityPub-Plugin arbeite ich an einem Basisprotokoll für die dezentrale Kommunikation.  Ich habe damit 2019 angefangen, damals war das noch ein Hobbyprojekt. Dann wurde ich damit, sagen wir mal, „entdeckt“.  Und seitdem darf ich das hauptberuflich machen. 

Der Event-Teil ist da nur ein Spezialfall, er basiert letztlich auf dem gleichen Protokoll. Das ist relativ speziell, weil WordPress selbst eigentlich keine Events kann.  Das heißt, es ist wichtig, eine Art Brücke zwischen den Event-Plugins und dem Standardprotokoll zu bauen. Auf dem Hackathon haben wir uns das nochmal genauer angeschaut. 

Ist diese Basis übertragbar auf andere CMS? 

Matthias Pfefferle: Ja, das ist völlig agnostisch. Es gibt große Plattformen, die das Protokoll nutzen. Mastodon ist zum Beispiel so ein größerer Player. Auch die aktuelle Micro-Blogging-Plattform von Facebook (von Meta) kann ActivityPub. Threads.net ist ebenfalls ein Fediverse. Auch Flipboard ist einer der großen Player. Mastodon ist eine der großen Open-Source-Plattformen. Und dann gibt es noch diverse andere Content Management- und Foren-Systeme, die alle ActivityPub können. Ich glaube, eine Statistik sagt, dass es jetzt pro Monat um die 1,6 Millionen User gibt, die das Fediverse nutzen.

Das Fediverse ist auch für ein unabhängiges, dezentrales Netzwerk mittlerweile relativ groß. Man ist nicht limitiert. Man muss nicht unbedingt WordPress nutzen oder ein bestimmtes anderes CMS. In der Regel gibt es für jedes größere CMS auch eine Integration, die mehr oder weniger gut funktioniert.

Das Interessante ist: Obwohl es so viele User im Fediverse gibt, kennt man es gemeinhin nicht. Jedenfalls nicht unter dem Namen. Mein großes Ziel wäre es, dass man von dem Namen auch gar nichts wissen muss, sondern dass es einfach der Standard wird. Dass es jeder einfach nutzt, ohne zu wissen, dass er es nutzt. So, wie wir heutzutage alle E-Mail nutzen. Es spielt dabei keine Rolle, ob jemand bei einem großen Provider wie z.B. Gmail ist oder ob man seinen E-Mail-Account selbst hostet, oder ob man bei einem Hoster ist, der einem eine E-Mail-Adresse zur Verfügung stellt. Man nutzt einfach E-Mail und es funktioniert. Und das dezentral.

Im Prinzip wäre es schön, wenn wir irgendwann einmal auch an diesem Punkt mit den sozialen Netzwerken wären. Wenn wir gar nicht mehr groß darüber reden müssen, wie die Protokolle heißen oder wie wir diese Art von Netzwerk nennen.  Es gibt auch schon Bewegungen, die sagen, wir brauchen diese ganzen Begriffe wie Filiverse und ActivityPub nicht …

Im Prinzip ist es das, wie das Social Web sein sollte. Im Prinzip sollten wir es auch so nennen. Das Ziel sollte sein, dass wir das einfach in die Plattform oder das CMS einbauen können. Dass es einfach nutzbar ist, ohne dass der Benutzer groß wissen muss, was er da macht und was er benutzt. Es sollte sich einfach und ganz natürlich benutzen lassen. 

AI ist ja auch ein großes Thema auf dem diesjährigen Hackathon. Setzt ihr AI auch bei eurem Projekt ein?

Matthias Pfefferle: Eher nicht.

Ich weiß nicht, ob es jeder Entwickler zugeben wird, aber die meisten Entwickler verwenden AI für ihre tagtägliche Entwicklung. Aber AI ist bisher nicht wirklich Teil des Standards oder des Protokolls. Ich weiß, dass Plattformen und wahrscheinlich auch Threads im Speziellen an Algorithmen arbeiten,  wie sie mit Hilfe von AI die dezentralen Informationen aufarbeiten können und dann trotzdem eine vorgefilterte Timeline bauen können. Aber AI ist bis jetzt kein genereller Bestandteil von dem ganzen System. 

Wie setzt du das persönlich AI ein? Wo kann AI deine Arbeit erleichtern? 

Matthias Pfefferle: Ich verwende AI bei meiner täglichen Entwicklungsarbeit, beim Refactoring und beim Testing. Ich nutze AI einfach als Ideen-Input, da wo man mal irgendetwas ausformulieren muss. Ich frage die AI zum Beispiel, wie man Folgendes umsetzen könnte. Das Resultat schaue ich mir dann an und überlege, ob ich darauf aufbauend weiterarbeiten kann.

AI nimmt Einzug in meine Entwicklungsumgebung und ich fange auch an,  das ganz normal in so einer Art Dialog zu benutzen, um zusammen mit der AI auf ein hoffentlich besseres Ergebnis zu kommen. 

Du nutzt AI also eher als eine Art Inspiration? 

Matthias Pfefferle: Genau. Als Inspiration, als Recherche-Tool und für  alltägliche Arbeiten, wenn es zum Beispiel darum geht, etwas zu benennen oder um zu prüfen, welche Auswirkungen etwas auf den gesamten Code hat. Oder für Fleiß-Arbeiten.

Was sind die Projekte, an denen du in Zukunft arbeiten wirst?

Matthias Pfefferle: Ich finde unseren Ansatz von unserem Hackathon-Projekt ziemlich spannend, Wir haben zwar an dem grundlegenden ActivityPub-Protokoll für WordPress gearbeitet. Wir sind dabei aber nicht so sehr ins Detail gegangen, dass wir andere Plugins mit reinnehmen,  weil die Entwicklung von Spezialimplementierungen natürlich extrem viel Mehraufwand bedeutet hätte.

Aber wir haben gesehen, dass wir eine gute interne APIs anbieten können und dass gerade dieses Events-Projekt auf Basis von unserem Protokoll möglich war.

Ich fände es spannend, wenn wir am Schluss wirklich eine so einfache Implementierung ermöglichen,  dass jeder Plugin-Anbieter auf der Basis unseres Plugins seine Daten dezentral zur Verfügung stellen kann. 

Wir haben auch ein paar Experimente mit Podcasts gemacht. Es war extrem spannend zu sehen, dass man Podcasts nicht nur in seinem Podcast-Player über RSS abonnieren kann, sondern dass man einen Podcast auch im Fediverse oder in seinem sozialen Netzwerk abonnieren kann und dann in der App seiner Wahl diesen Podcast hören kann.

Vielen Dank Matthias für das Interview und die spannenden Einblicke.